Hey Leute!
Im Rahmen einer Aktion des Drachenmond Verlags habe ich kürzlich eine gelöschte Szene aus dem schwarzen Uhrwerk ans Tageslicht gebracht. Zugegebenermaßen habe ich davon relativ viele; das Buch hat sehr viele Durchgänge der Überarbeitung und Änderung hinter sich gehabt, bevor ich es wagte, es dem Verlag anzubieten. Eines dieser Stückchen, die dem Rotstift zum Opfer fielen, habe ich euch heute mitgebracht. Viel Spaß beim Lesen!
Gelöschte Szene: Das schwarze Uhrwerk
Ich seufzte, ehe ich eine Kneipe ins Auge fasste und nach der Maske stöberte; doch im gleichen Augenblick öffnete sich die Tür, und ein kräftiger Mann stieß einen zweiten auf die schlammbedeckte Straße.
»Ihr dreckigen Bastarde, das könnt ihr nicht machen! Ich bin Präsident der Steinernen Garde, ich werde euch allesamt einbuchten lassen, ich …«
»… sollte ganz schnell nüchtern werden«, sagte der Wirt und schlug die Tür zu. Einen Herzschlag lang konnte ich nicht anders, als Aryon verdutzt anzublicken, ehe ich ihn auf die Beine zog.
»Was hast du angestellt?«, fragte ich.
Aryon starrte mich mit zusammengekniffenen Augen an, bis es ihm gelang, mich durch den Schleier seines Rausches zu erkennen. »Mir ist ’ne Arbeiterkröte frech gekommen. Hab ihm auf die Mütze gegeben, aber er hatte ’nen mächtigen linken Haken.«
Eine Blutblase bildete sich in seinem Mundwinkel. »Der wird’s noch bereuen, mich herausgefordert zu haben. Ich nehm ihm alles weg, was er hat. Ich bring ihn um.«
Ich seufzte. »Wieso gehst du nicht einfach heim, Aryon?«
»Verschwinde«, lallte Aryon. »Bist du meine Mutter? Das wüsste ich. Ich zeige meinem Vater schon, dass ich kein Fehler war. Dazu brauche ich dich nicht.«
»Wovon redest du da?«
Aryon fuchtelte ungeduldig mit der Hand. »Er hasst mich. Das weiß doch jeder. Er hat meiner Mutter gesagt, dass sie das Kind loswerden soll, als sie schwanger wurde. Er hat gesagt, sie soll mich umbringen.«
Eine Träne rann über seine Wange. Er schien es gar nicht zu bemerken, doch mir fuhr die Kälte in die Knochen. Aryon weinte nicht. Nie. Genauso gut hätte eine Statue des Zinnhybriden zu weinen anfangen können, und dann hätte man es immerhin als Wunder gefeiert.
»Komm jetzt«, sagte ich. »Ich bringe dich nach Hause.«
Aryon schien mich nicht zu hören. »Ich war ihm egal. Schon immer. Ich … er sagt, wenn ich Kyron nicht fange, lässt er einen Affen aus Balys holen und zieht ihm meine Uniform an. Er sagt, das würde bestimmt niemandem auffallen. Sogar ein Schimpanse würde bessere Arbeit machen als ich.«
Er schniefte. Mir wurde vage bewusst, dass er mir das alles nie erzählt hätte, wäre er nüchtern gewesen; vielleicht wusste er morgen nicht einmal mehr, dass er seine Geheimnisse mit mir geteilt hatte.
»Wenn Ruanne glaubt, dass er so mit dir reden kann, ist er deine Aufmerksamkeit nicht wert. So jemanden brauchst du nicht in deinem Leben. Auch wenn er dein Vater ist.«
»Sprich nicht so über ihn!«
»Warum nicht?«, fragte ich. »Ich habe keine Achtung vor einem Mann, der glaubt, dass ein Schimpanse ein besserer Gardenpräsident wäre als mein bester Freund.«
Aryons Wut verebbte. »Du denkst, ich wäre … ich hatte nie einen Freund.«
»Doch, hast du«, sagte ich milde. »Mich.«
Aryon antwortete nicht, doch ihm rannen noch einige verstohlene Tränen mehr über die Wangen. Ich versuchte zu lächeln, ehe ich ihn vorsichtig beim Arm nahm und davonführte. Für seinen Zustand benahm er sich sehr ordentlich, wenn man davon absah, dass er nuschelte und lallte und sich einmal geräuschvoll über ein Brückengeländer übergab. Als ich ihn endlich fortgebracht hatte, schlug es zwei Uhr von den Türmen der Stadt.
So viel zu meinen Abenteuern in Ceratari.